Kürzlich habe ich einen Kurz-Workshop mit rund 25 selbstständigen Texter*innen gehalten. Wir haben erforscht, wie wir den inneren Kritiker bändigen und innere Anteile neu verstehen können. Und das in nur 45 Minuten – der Workshop war eine interaktive Mittagspause!
Ich war selbst gespannt, ob das klappt. Und ich bin beeindruckt, welche Erkenntnisse einige Teilnehmer*innen in dieser kurzen Zeit über ihre inneren Anteile mitgenommen haben!
Dafür habe ich mich auf zwei zentrale Elemente aus der Methodik des Internal Family Systems fokussiert, die uns helfen, den inneren Kritiker und andere innere Stimmen neu zu sehen.
Und genau diese beiden Hebel möchte ich heute mit dir teilen.

Innerer Kritiker & co: Name it to tame it
Einer der größten Hebel gegen belastende innere Anteile ist es, sie zu benennen. Egal, ob du der inneren Stimme einen Namen gibst oder ihr einfach eine grobe Kategorie zuweist: Es macht einen riesigen Unterschied, ob du sagst: „Ich krieg es einfach nicht so hin, wie ich sollte“ oder „Meine innerer Perfektionistin ist heute mal wieder höchst anspruchsvoll“.
In Internal Family Systems, dem Ansatz, mit dem ich arbeite, schauen wir uns die inneren Anteile ganz individuell an: Wie sehen sie aus? Was sagen sie? Wie würdest du sie benennen?
Trotzdem wird auch in IFS zwischen verschiedenen Arten von inneren Anteilen unterschieden, die unterschiedliche Rollen in uns spielen. Genau hier wird es spannend.
Die 4 wichtigsten Rollen deiner inneren Anteile
Stell dir vor, du musst eine wichtige Präsentation halten oder ziehst ein großes Kundenprojekt an Land, das du so noch nie umgesetzt hast.
Oder im Privatleben: Du lernst nach dem Ende einer Beziehung jemand neuen kennen. Dein erstes Kind kommt bald in die Schule.
Wenn wir etwas Herausforderndes erleben, bei dem wir nicht genau vorhersagen können, was als nächstes passiert, wird es in uns laut.
Typischerweise melden sich eine oder mehr innere Anteile aus einer dieser Kategorien:
1. Die Manager 👩💼
Ihre Rolle: Sie planen voraus und versuchen, uns davor zu schützen, dass etwas schief geht.
Ihre Strategie: Planen, vorbereiten, keine Fehler machen.
Sie sind oft streng, haben hohe Erwartungen und können uns (und andere) ziemlich fies kritisieren. Ihr Ziel: Uns davor zu schützen, dass wir uns in eine unangenehme Situation bringen. Darum erzählen sie uns schon mal, was wir alles falsch machen könnten. Und was wir tun sollten, damit das nicht passiert.
Oft ist der innere Kritiker einer dieser „Manager-Stimmen“ in uns.
2. Die Brandlöscher 👩🚒💦
Auf Englisch: Firefighters
Ihre Rolle: Wenn der Manager die unangenehme Situation nicht verhindern konnte, sind diese „Ersthelfer“ rasant zur Stelle. Sie greifen ein und erledigen den Job: Das Feuer der unangenehmen Gefühle und Gedanken zu löschen.
Manchmal entsteht dabei Kollateralschaden: Firefighters sorgen dafür, dass deine Wohnung top aufgeräumt ist. Du fühlst dich super, denn du musstest dich während des Putzens nicht mit der Mail befassen, die dir gestern einen Klos im Magen bereitet hat.
Ihre Strategie:
Innere Anteile aus der Kategorie der Brandlöscher können dazu führen, dass du
- zu viel (oder viel zu wenig) isst,
- dich in Fantasien verlierst,
- prokrastinierst,
- deine Bildschirmzeit durch die Decke geht.
Ihr Ziel: Hauptsache, du spürst nicht mehr so sehr, was dich tatsächlich massiv belastet. Sie sind oft impulsiv und nicht immer zielführend.
Ist dein innerer Kritiker so extrem, dass du Deadlines nicht mehr einhalten kannst oder Projekte nie zu Ende führst, kann es sein, dass er eher die Rolle eines Brandlöschers spielt. Möglicherweise versucht er dich so so vor starken Gefühlen wie Versagensängsten, Angst vor Ablehnung oder Beschämung zu schützen.
3. Verletzte innere Kinder 🧒
Wenn wir in Situationen geraten, die für uns als Kind erschreckend, beschämend oder verletzend waren, können diese Erinnerungen starke Gefühle auslösen. Oft sind dann blitzschnell Manager oder Brandlöscher zur Stelle, um mit ihren Strategien dafür zu sorgen, dass unser inneres Kind sich nicht mehr so belastet fühlt.
Fühlt sich dein innerer Kritiker eher impulsiv, emotional, jung und hilflos, kann es sein, dass hier ein inneres Kind sich nicht anders zu helfen weiß, als die Rolle eines Erwachsenen zu imitieren. Dabei ist dieser Teil von dir in Wirklichkeit mit der Situation vollkommen überfordert und braucht Hilfe.
Was diese inneren Kinder wirklich brauchen, ist weder Disziplin noch Ablenkung. Sie brauchen eine Art von Geborgenheit, die ihnen nur ein anderer Teil von uns vermitteln kann:
4. Das tiefere Selbst
Das Selbst ist der wahre Kern unseres Wesens.
Richard Schwartz, der Begründer von Internal Family Systems, stellte fest, dass jeder Mensch neben impulsiven, emotionalen und kontrollierenden inneren Anteilen auch noch eine ganz andere Art von innerer Stimme kennt.
Eine Stimme, die ruhig und klar ist. Die Zuversicht und Gelassenheit ausstrahlt. Die plötzlich genau weiß, was das Richtige ist und auch den Mut hat, es zu tun.
Diese innere Stimme nennt Schwartz „das tiefere Selbst“.
Wenn diese Stimme spricht, passiert immer wieder das Gleiche: Wir spüren „Ja, so bin ich eigentlich“.
Es fühlt sich nicht an wie ein Teil von mir. Es fühlt sich an wie mein eigentliches Ich. (Hier findest du mehr über die heilsamen Eigenschaften des „Selbst“ im IFS.)

Deinen inneren Kritiker beruhigen: Die zwei entscheidenden Schritte
Im Workshop habe ich eine Übung angeleitet. Die Wirkung erstaunt mich jedes Mal aufs Neue. Wenn wir zu unserem „Selbst“ zurückkommen, sehen wir plötzlich klar.
Wenn du nicht dabei warst, hör gerne in meinen Podcast beim „Systemtisch“ rein. Dort coache ich Gastgeberin Rebecca am Ende des Interviews durch eine ähnliche Übung. Ich wette, du kannst den Unterschied schon beim Zuhören deutlich spüren.
- Schritt: Benennen, wer da eigentlich in dir spricht.
Vielleicht reicht das schon, um ein wenig Abstand zu gewinnen und die Stimme deines wahren „Selbst“ wieder zu hören. - Schritt: Ein neues Verständnis für den inneren Kritiker (oder den belastenden inneren AnteilI) entwickeln.
Du spürst, wie schwer dein innerer Kritiker für dich arbeitet. Dass er dich im Kern schützen möchte. Plötzlich wird etwas in dir weich, wo zuvor Spannung war. Die Atmosphäre wird warm. Der Druck lässt nach.
Eine Variante dieses Schritts kann auch sein, dir einen Brief von der Stimme des tieferen Selbst zu schreiben.
Oft sind diese beiden Schritte schon ausreichend, um eine neue Perspektive zu finden und auf gute Lösungen zu kommen. Aber manchmal braucht es mehr, besonders wenn Firefighters und innere Kinder sich nicht leicht beruhigen lassen oder hartnäckige Selbstzweifel immer wieder kommen. Dann kann es helfen, in einer oder zwei Coaching-Sessions tiefer hinzuschauen, was diese Anteile wirklich brauchen.
Die innere Haltung ist entscheidend
„Jeder innere Anteil ist im Kern gut und verfolgt eine gute Absicht – selbst wenn er in eine destruktive Rolle geraten ist.“ (Dr. Richard Schwartz)
So lässt sich eine der wichtigsten Grundannahmen von IFS zusammenfassen. Es geht nicht darum, den inneren Kritiker oder andere Anteile zum Schweigen zu bringen oder auf andere Art loszuwerden. Sondern wirklich zu verstehen, WARUM er so hartnäckig auftritt – und was dieser Teil von dir wirklich braucht, um loslassen und wieder mehr vertrauen zu können.
Das muss nicht bedeuten, gleich in tiefe Kindheits-Traumata einzutauchen. Manchmal reicht es schon, wenn der Kritiker spürt: Ich wurde wirklich gesehen und verstanden. Meine Sorgen werden ernst genommen und ich werde nicht übergangen. Genau wie ein echter Mensch kann er sich dann beruhigen und eine konstruktivere Rolle einnehmen.
Wie es ganz praktisch aussieht, wenn der innere Kritiker loslässt und tiefe Selbstzweifel heilen, kannst du hier lesen.
Advents-Geschenk für dich 🎄🎁
Bis Weihnachten biete ich allen, die ein kostenloses Kennenlerngespräch bei mir buchen, ein individuelles Geschenk zu ihrem Coaching-Paket:
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- oder ein liebevoller Leitfaden zum täglichen Journaling – mit deinen Anteilen durch das Jahr
Lass uns herausfinden, was DU wirklich brauchst, um dich wieder „ganz wie du selbst“ zu fühlen.