Dieser Artikel ist Teil der Myth-Buster Serie.
Hier nehme ich hartnäckige psychologische Mythen genauer unter die Lupe und klopfe ab, was wirklich dran ist! Dafür habe ich euch gefragt, welche Sätze sich für euch logisch anhören, aber innerlich Druck auslösen.
Gerne kannst du in den Kommentaren einen Mythos zum Check einreichen!
Diesmal nehmen wir uns den Motivations-Spruch vor: „Fang an, bevor du dich bereit fühlst“
Letzte Woche haben wir einen Selbsttest gemacht und herausgefunden, wie sehr dein Nervensystem darauf Einfluss nimmt, wie manche Sätze bei dir ankommen. (Mehr dazu erscheint im Mai im Blog!). “Fang an, bevor du dich bereit fühlst” kann von positiver Motivation bis hin zu Druck und Hoffnungslosigkeit ziemlich viel bei uns triggern – je nachdem, wie sicher wir uns aktuell fühlen.
Dieser harmlos erscheinendene Satz vermittelt allerdings auch einige, potenziell ungesunde Botschaften, die ganz unabhängig von unserem Zustand ankommen. Um diese geht es heute.
Inhaltsverzeichnis
Der Mythos der Dauer-Produktivität
Vier Botschaften stecken in diesem kleinen Satz, auf die ich heute genauer eingehen möchte:
Erstens: Fang an!
Was mir zuerst auffällt, ist natürlich die klare Aufforderung: Fang an!
Da frage ich mich sofort: Ist es wirklich immer das Beste, sofort aktiv zu werden?
Ich glaube, schwingt ein Mythos mit, der uns so vertraut ist, dass wir ihn schon kaum noch wahrnehmen. Der Mythos der Produktivität. Der besagt: “Etwas zu tun ist immer besser, als nichts zu tun”.
Leider werden unter Nichts-Tun häufig auch die wichtisgten Aspekte des Mensch-Seins gleich mit dem Badewasser ausgekippt: Sich zu erholen und zu regenerieren. Zeit für Stille und Reflektion. Emotionen bewältigen. Sich an Neues gewöhnen. Innere Heilung und oder als Persönlichkeit zu wachsen und alte Muster abzulegen. Pläne reifen zu lassen, bevor wir sie umsetzen. Langsam genug zu werden, um unseren Körper und seine Bedürfnisse wieder zu spüren. Zeit für gute Gespräche ohne das Ziel, dabei etwas zu erreichen oder zu verkaufen.
Brauchen wir noch mehr Geschwindigkeit – oder brauchen wir vielleicht viel mehr Langsamkeit, um unsere menschlichen Bedürfnisse wahr zu nehmen, bevor wir das nächste Ziel in Angriff nehmen?
Was sagt dein innerer Kompass dazu?
Zweitens: Woran erkennen wir überhaupt einen Anfang?
Der Satz „Fang an, bevor du bereit bist“ suggeriert zwischen den Zeilen, dass du noch gar nicht angefangen hast.
Wenn dieser Satz dich auch nur ein kleines bisschen interessiert, dann hast du vermutlich ein Projekt oder eine Idee im Hinterkopf, die du gerne angehen würdest. Oder du wünscht dir eine Veränderung, die du schon länger aufschiebst: Das kann sein, dass du in deiner Selbstständigkeit ein neues Projekt oder ein neues Feld erschließen möchtest. Oder in deiner Beziehung etwas ansprechen, das dich schon lange stört – oder ein Verhalten, aus dem du irgendwie “rausgewachsen” bist.
Ich würde mal fragen: Hast du nicht längst angefangen, indem du planst, träumst und Ideen schmiedest? Indem du mehr und mehr spürst, dass das alte nicht mehr passt? Wächst hier im Verborgenen nicht vielleicht schon viel mehr, als dieser Spruch uns zugesteht?
Und wieder die Frage: Ist es erst ein “richtiger” Anfang, wenn von außen eine gewisse Betriebsamkeit sichtbar wird?
Darauf gehe ich gleich genauer ein bei der Frage, was sagt eigentlich die Psychologie dazu.
Drittens: „Halte dich nicht mit Gefühlen auf!“
Drittens (vielleicht liegt’s an meinem Nervensystem?) höre ich da eine gewissen Ungeduld heraus: Befass dich nicht zu lange mit deinen Zweifeln und “Ausreden” – mach einfach den ersten Schritt. Mein Gehirn ergänzt dann: Dann wirst du schon sehen, dass es nicht so schlimm ist.
Hier schwingt auch wieder mit: Zu handeln ist wichtiger, als sich wohl zu fühlen.
Diese Annahme kenne ich tatsächlich auch aus der Verhaltenstherapie: Indem wir etwas Neues tun, werden wir am effektivsten lernen, dass unsere Befürchtungen nicht zutreffen. Und je öfter wir das machen, desto kleiner wird unsere Angst.
Nun zögern wir im Leben nicht nur, wenn wir eine ausgewachsene Angststörung haben.
Und selbst in der Therapie von Patienten mit hohem Leidensdruck musste ich feststellen: Aus mysteriösen Gründen reicht die reine Erkenntnis nicht aus, um wirklich ins Handeln zu kommen.
Dass ihre Ängste übertrieben waren, war den Patienten durchaus bewusst. Dennoch fühlte es sich für sie schlimm an, ihren Überzeugungen entgegen zu handeln. Je mehr ich versuchte, meine Patienten nach dieser Einsicht zu motivieren, sich ihren Ängsten zu stellen, desto heftiger wurde ihr innerer Widerstand. Dabei waren wir ja beide hier, um etwas zu ändern!
Wie Richard Schwartz es beschreibt: „Sie hatten scheinbar gar nicht gemerkt, dass sie jetzt geheilt waren und verblieben in ihrem alten Verhalten.“
Manche wurden sogar physisch krank, wenn es an die Umsetzung ging. Dabei waren sie ja bei mir, um etwas zu verändern – und ich unterstützte sie verständnisvoll. Doch mir fehlte damals das heutige Wissen um unser Nervensystem, das Neues entweder zulässt – oder sogar hilfreiche Veränderung als Bedrohung abwehrt. Und wie man mit solchen Widerständen konstruktiv und wertschätzend umgeht.
Alles in allem stellt sich also die Frage:
Was brauchen kluge, sensible Menschen, um Veränderungen zu meistern und erste Schritte zu finden, die sich gut und motivierend anfühlen – und zwar OHNE, dass der Druck uns direkt wieder lähmt?
Was sagt die Psychologie wirklich dazu?
Ganz ehrlich: Eine MENGE. Es gibt viele Theorien über Motivation und Handlungsbereitschaft, manche davon widersprechen sich. Der Mensch ist komplex!
Anstatt einen wissenschaftlichen Überblick über die gängigsten Theorien und die Kritik daran vorzustellen (das wollte die Wissenschaftlerin in mir zuerst machen), erzähle ich euch heute lieber persönlich, was aus meiner Erfahrung als sensibler Mensch UND als Psychologin und Coach bisher am besten funktioniert hat, um mit etwas anzufangen, das sich herausfordernd anfühlt. Und welche Methoden aus der aktuellen Forschung mich am meisten überzeugen.
Wo fängt Veränderung überhaupt an?
Grob kann man sagen, dass es verschiedene Phasen der Veränderung gibt. Vielleicht kennst du das Rubikon-Modell, oder hast in einem Marketing-Kurs schon mal von von den 5 Bewusstseins-Stufen gehört, in denen Menschen sich ziemlich unterschiedliche Fragen stellen (vom Googeln “Rückenschmerzen – was hilft?” ist es ein gewisser Prozess, bis ich verschiedene Sportkurse oder Ärzte / Osteopathen / Physiotherapeuten vergleiche – und dann nochmal, bis ich tatsächlich im Sportstudio oder Behandlungszimmer ankomme).
Dr. Martha Beck, die in Harvard Soziologie und Veränderungsprozesse studierte, und diese in Volksgruppen auf der ganzen Welt untersuchte, entwickelte dabei ein Modell, das mich besonders überzeugt.
Außerdem hat sie es geschafft, das in leicht zugänglicher Sprache und mit Humor zu verpacken. Genau deshalb spricht es mich besonders an, ich kann mich darin wiederfinden und möchte es euch heute gerne vorstellen.
Sie spricht von einem Kreislauf aus 4 Phasen, den wir immer wieder durchlaufen: Dem Change-Cycle.
Phase 1: Tod und Widergeburt
Wir steigen gleich dramatisch ein! Und genau so fühlt sich Phase 1 oft an: Eine (ungebetene) Veränderung tritt ein. Auch das ist ein Mythos, das wir uns immer selbst für Veränderungen entscheiden.
Denn wenn du dich für eine Veränderung nicht bereit fühlst, kann es daran liegen, dass dich einfach nie jemand gefragt hat, ob du dafür bereit bist!
Bestes Beispiel dafür war wohl die Pandemie. Aber auch eine plötzliche Erkenntnis hinter die du nicht zurück kannst (”Die vielen SMS auf dem Handy meines Mannes unter dem Namen ‘Pizza Lieferservice’ waren nie wirklich von der Pizzaria…”) zählen dazu. Eine Beförderung oder Kündigung, eine Krankheit, eine neue Idee, die dich packt. Ein Business, das nicht mehr so funktioniert wie noch vor ein paar Jahren. Die nächste Wachstumsphase. Die Geburt eines Kindes oder der Beginn der Wechseljahre. Ein Umzug, ein Unfall, der Tod einer nahe stehenden Person, eine Trennung oder eine neue Beziehung, eine neue Patchwork-Familie.
Das Leben wirft uns immer wieder in Situationen, in denen etwas endet und wir neue Anfänge wagen müssen.
Oft ist diese Phase für uns herausfordernder und dauert länger, als wir zuerst dachten. Wir brauchen Zeit, um uns zu orientieren. Oft kommen Gefühle von Trauer um das Leben, wie wir es kannten hoch – und Angst vor der Zukunft.Auch wenn einige Teile von uns sich eventuell auf diese Zukunft freuen oder die Veränderung aktiv angestoßen haben.
Beck beschreibt diese Phase der Veränderung als die emotional schwierigste – weil den meisten von uns nicht beigebracht wurde, damit zu rechnen, dass Veränderungen ständig passieren und auch nicht, wie wir die emotionalen Auf- und Abs in dieser Phase bewältigen. So entwickeln wir spontane Bewältigungsmechanismen, die mal besser und mal schlechter funktionieren.
Als Leitsatz schlägt Beck für diese Phase vor: “Ich hab keine Ahnung, was gerade los ist und wo das alles hin führt. Und das ist ok”.
Jemandem in dieser Phase zu sagen “Fang an, bevor du dich bereit fühlst” hat zwei Effekte: Entweder komplette Ratlosigkeit: “Anfangen? Womit denn? Und wie?”. Wenn dir hier jemand mit einem Plan oder Vision-Board kommt, würdest du es ihm am liebsten über den Kopf hauen.
Oder wir stürzen wir uns zu früh in ein neues Projekt, um die Verwirrung, Angst und Trauer dieser Phase nicht zu sehr spüren zu müssen. Das ist ok, wenn es hilft, dass wir uns sicherer fühlen. Doch es kann dazu führen, dass die Bewältigung dieser Phase sich länger hin zieht als nötig und die neuen Projekte auf Vorstellungen beruhen, an denen wir noch festhalten, obwohl sie bereits nicht mehr zu uns und unserem Leben passen.
In Phase 1 steht emotionale Bewältigung und Unterstützung an erster Stelle. Nimm das Leben Tag für Tag, oder vielleicht sogar Minute zu Minute. Hier kann es helfen, sich professionelle Unterstützung zu suchen, um die widersprüchlichen inneren Stimmen und Gefühle liebevoll zu sortieren und ihnen Raum zu geben.
Phase 2: Tagträumen und Pläne schmieden
In Phase 2 haben wir den ersten Schock über die Veränderung überwunden und können uns für die neuen Möglichkeiten öffnen. Wir haben hier und da eine Vorstellung, wohin wir uns entwickeln und wie die Zukunft aussehen könnte.
In dieser Phase erstellen wir vielleicht Vision-Boards, sammeln Anleitungen oder sehen überall neue Möglichkeiten um uns herum. In dieser Phase haben wir die Chance, auszuprobieren, was zu uns passt. Ideen mit unseren Wünschen und Bedürfnissen abzugleichen.
Wenn wir hier spüren, dass wir noch nicht für den nächsten Schritt bereit sind, steht wahrscheinlich ein Konflikt im Raum: Zwischen unseren wahren, tiefen Bedürfnissen und Werten – und dem, was wir “wollen sollen”: Zielen von Außen, Rollenbilder, verinnerlichte Ideale, die nicht zu uns passen. Hier lohnt es sich, dem Tagträumen Zeit zu geben und das Gehirn mit den Herausforderungen wie mit einem Puzzle spielen zu lassen.
Wir wachsen hier wie eine Pflanze zuerst unterirdisch, von außen unsichtbar: Unsere Gedanken und Pläne sind wie Wurzeln, die sich an den Boden anpassen so lange die Richtung ändern, bis sie Wasser finden. So darf sich deine neue Idee in deine Bedürfnisse und Werte einfinden. Manchmal stoßen wir hier auch auf “Felsbrocken” aus der Vergangenheit, die verhindern, dass etwas neues wachsen kann. In Phase 2 wächst die Motivation, alte und hinderliche Muster aufzulösen. Es lohnt sich, diesem Prozess Raum zu geben, und damit einen guten Boden für alles neue vorzubereiten.
Die beste Zusammenfassung, die ich über Veränderungsprozesse bisher gehört habe, ist von Therapeutin Eleanor Mann:
“Wir entwickeln uns, wenn wir uns
- sicher genug
- unterstützt genug und
- willens genug fühlen
- und wenn die alte Situation zu unbequem oder schmerzhaft wird, um darin zu verbleiben.
In Phase 2 wirst du genau spüren, an welchen Stellen du dich noch nicht ausreichend sicher und unterstützt fühlst. Du nimmst wahr, was du wirklich willst – und was nicht.
Und du kannst beginnen, davon zu träumen, wie du dich fühlen möchtest.
Das ist nicht das gleiche, wie Pläne zu schmieden. Anstatt zu fragen: Was soll ich tun? Frage dich lieber: Wie möchte ich mich fühlen, während ich mich auf den Weg mache?
Mithilfe dieser Frage setzt du Intentionen statt Ziele.
Intentionen geben dem Gehirn einen Rahmen vor, aber keinen direkten Weg. Aus der Psychotherapieforschung wissen wir, dass allein das Nachdenken und Sprechen über einen Wunsch-Zustand bereits eine deutliche positive Veränderung in der Wahrnehmung und im Verhalten bewirken kann. Auf diesen Erkenntnissen beruht zB der Ansatz der Lösungsfokussierten Kurztherapie (Burg & DeShazer).
Ein Beispiel:
Wenn mein Gehirn von mir die Intention gesetzt bekommt, sich “stolz, konzentriert und im Flow” zu fühlen, wird es mir andere Lösungswege vorschlagen, als wenn ich mich “entspannt, erholt und ruhig” fühlen möchte, oder “klar zu meinen Bedürfnissen zu stehen und mich gut abzugrenzen”.
Wenn ich nichts vorgebe, außer einem Ziel im Außen, kann es passieren, dass mein Gehirn aus die Intention unbewusst selbst setzt, und zwar aus meinen alten Gewohnheiten heraus. Dann könnte es annehmen: “Da muss ich mich anstrengen und werde bestimmt gestresst und erschöpft sein.” Und dann wird es unbewusst Wege einschlagen, die genau diese Annahmen bestätigen.
Fazit – So stellst du die wichtigsten Weichen:
- Unterschätze nicht die Macht der Intentionen und Tagträume!
Bevor du über Ziele nachdenkst, nimm zuerst deine Bedürfnisse ernst und setzte bewusste Intentionen. - Und unterschätze nicht den Wert deiner inneren Widerstände!
Liebevoll anstatt mit Druck zu horchen, was dein System gerade noch braucht, um sich wirklich wohl zu fühlen wird dir helfen, deine wichtigsten Bedürfnisse zu kennen und ernst zu nehmen. Anstatt eine Blume zu verurteilen oder an ihr zu zerren, macht es mehr Sinn, herauszufinden, wie viel Wasser und wie viel Licht sie wirklich braucht. Genau so ist es mit dir: Sind deine Bedürfnisse AUSREICHEND versorgt (es muss nicht perfekt sein) schaffst du ein Fundament zu schaffen, auf dem die neue Phase gesund wachsen und aufblühen kann.
Wenn du dich nicht bereit fühlst für den nächsten Schritt, frage dich: “Wie möchte ich mich stattdessen lieber fühlen?” Und dein Gehirn wird automatisch anfangen, nach Lösungswegen zu suchen.
Hängst du hier immer weiter fest, schau einmal genauer hin, ob du dich wirklich sicher, unterstütz, von innen motiviert fühlst – und welche Kosten es hat, in der Situation weiter zu verbleiben.
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, wirst du fast von selbst in die nächste Phase hineinwachsen:
Phase 3: Die Heldenreise
Wenn du Phase 3 erreichst, wirst du dich inspiriert fühlen, sichtbare und mutige Schritte zu gehen. Neues auszuprobieren. Vielleicht sogar einen neues berufliches Standbein oder ein neues Leben aufzubauen. Und dann… wirst du scheitern. Wieder und wieder!
Und das ist vollkommen normal! Etwas so komplexes wie dein Leben, oder einen Aspekt davon umzugestalten, bringt unweigerlich Probleme mit sich, die du nicht erwartet hast.
Darum schlägt Beck vor: “Erwarten Sie, dass etwas schief geht. Das ist kein „Zeichen“ dafür, dass Ihr Traum „einfach nicht sein soll“. Es ist ein Rückschlag, aus dem Sie lernen können. Sie müssen bereit sein, weiter auf Ihren Traum hinzuarbeiten, auch wenn Ihre anfänglichen Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sind.”
Wenn du dich im Moment also nicht bereit fühlst, mit etwas neuem anzufangen kann es auch sein, dass du bereits mitten drin steckst. Dass du schon ein paar Rückschläge eingesteckt hast. Und dass du dich jetzt gerade mit Frustration, Zweifeln oder einer grimmigen Motivation vorwärts bewegst.
Als Leitsatz schlägt Beck hier vor: “Das ist schwerer als gedacht. Und das ist ok”.
In dieser Phase ist es hilfreich, immer wieder zurück zu den Intentionen und Träumen von Phase 2 zu gehen, sich hier auszuruhen und wieder darauf auszurichten, WARUM ich du dir diese Schwierigkeit überhaupt antust.
Oder deine Tagträume an die Realtität anzupassen. Nicht, indem du sie aufgibst – sondern indem du dich wieder fragst: “Wie möchte ich mich stattdessen fühlen, während ich weiter mache?”
Je detaillierter du diese Vorstellung in deinem Kopf durchgehst, desto eher tritt ein Übungseffekt ein, den man “Priming” oder “Voraus-Bahnung” nennt.
Mit jedem Mal, an dem du eine schwierige Handlung Schritt für Schritt im Kopf durchgehst, und dir dabei vorstellst, dass es sich schwierig, aber auch angenehm, stolz und erfüllend anfühlt, entstehen im Gehirn neue Verbindungen. Und je besser du dich dabei fühlst, desto mehr Botenstoffe werden ausgeschüttet, die dafür sorgen, dass du diese Handlung nochmal ausführen möchtest.
Durch dieses mentale Üben fühlt sich die tatsächliche Handlung am Ende leichter an – weil es deinem Gehirn nicht mehr vorkommt, als würdest du es zum ersten Mal machen. Und weil es sich bei der Übung gut gefühlt hat, ist die Motivation im echten Leben auch größer. Und weil dein Nervensystem sich bei der Vorstellung sicher fühlt, wird bei der Umsetzung die Angst kleiner und die Möglichkeit, mit Problemen umzugehen, kreativer und leichter.
Auf dieses Phänomen zählen übrigens viele Spitzensportler, Astronauten im Training und andere Menschen, die außergewöhnliches erreichen wollen.
Aus “fang an, bevor du dich bereit fühlst” wird ein “sei gut zu dir, während du dich voran kämpfst”.
Bis wir in Phase 4 landen:
Phase 4: “Das gelobte Land”
In Phase 4 werden alle unsere Bemühungen endlich belohnt.
In dieser Phase haben wir unsere neuen Projekte erfolgreich zum Laufen gebracht oder uns in eine neue Lebensphase eingefunden. Wir dürfen wir Optimieren, aber müssen keine drastischen Veränderungen mehr bewältigen. Wir ernten und genießen die Früchte unserer inneren und äußeren Arbeit. Herzlichen Glückwunsch!
Phase 4 kann lange dauern – oder nur wenige Tage. “Fang an, bevor du dich bereit fühlst” bekommt ihr eine andere Bedeutung: Rechne damit, dass Veränderungen zu Leben gehören und bleibe flexibel.
Oft wird uns suggeriert, dass wir diese Phase erreichen und dann am besten dafür sorgen sollten, dass sich nie wieder etwas ändert. Realistischer ist es, davon auszugehen, dass sich das Leben eigentlich die ganze Zeit ändert. Und dass es gut ist, sich darauf einzustellen. Zu genießen, ohne sich zu sehr darauf zu fixieren, dass alles genau so wie es jetzt ist bleiben muss.
Zusammengefasst:
Veränderung geschieht in Phasen. Jede Phase hat ihre eigene Dynamik, bei der unterschiedliche Bedürfnisse in den Vordergrund rücken. Wirklich hilfreich ist der Satz „Fang an, bevor du dich bereit fühlst“ eigentlich nur, wenn er uns hilft, uns flexibler auf Veränderungen einzulassen. Wenn wir ihn benutzen, um wichtige Schritte in der emotionalen Verarbeitung abzuwerten oder zu überspringen, nehmen wir uns damit die Chance, tiefer hinzuschauen und die Veränderungen an unsere Bedürfnisse und Werte anzupassen.
Damit haben wir den ersten Mythos gründlich durchleuchtet – und ein Schlaglicht auf das Nervensystem als zentralen Angelpunkt für Veränderungsprozesse geworfen!
Beim nächsten Mal widmen wir uns einem weiteren Mythos:
„Worauf ich meine Gedanken richte, davon ziehe ich mehr in mein Leben!“
Was glaubst du: stimmt das eigentlich?
Ich freu mich darauf, mit euch gemeinsam über’s „Manifestieren“ nachzudenken – und meine Perspektive als Psychologin mit euch zu teilen. Es geht spannend weiter!
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